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„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ als permanenter Ausnahmezustand*

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In einer am 19. Januar 2008 gehaltenen „militärpolitischen Grundsatzrede“ bemerkte Machmut Achmetowitsch Garejew, Präsident der Akademie für Militärwissenschaften Russlands, dass „die gesamte westliche Demokratie weit von dem entfernt ist, was dieser Begriff ursprünglich enthielt“. Ein Blick auf die Entscheidungsfindungsprozesse hinsichtlich der „Zypern-Rettung“ erscheint kaum als geeignet, diesen Befund zu widerlegen.
Zu den Leidtragenden der „Rettung“ Griechenlands gehörten die beiden größten zypriotischen Banken, die das bei ihnen angelegte Kapital großenteils in Staatsanleihen Griechenlands angelegt hatten und daher aufgrund des Schuldenschnitts zulasten von dessen Gläubigern Milliardenverluste in einem Ausmaße zu verzeichnen hatten, dass „die größte Bank Zyperns beinahe und die zweitgrößte vollständig in die Pleite“ gingen (Claus Peter Ortlieb, Gerechtes Scheitern? Die ‚Zypern-Rettung‘ und das neue Paradigma der europäischen Krisenverwaltung, KONKRET 5/13).
Das der Republik Zypern durch die „Troika“ aus IWF, EZB und Europäischer Kommission oktroyierte „Modell“ der „Rettung“ stellt – abgesehen von dem antidemokratischen Charakter seiner Durchsetzung – einen in der Geschichte der bürgerlichen Demokratien präzedenzlosen Eingriff in gesetzlich garantierte individuelle Eigentumsrechte dar: Während nur ein (kleinerer) Teil der für die Bankenrettung für erforderlich gehaltenen Gelder „von außen“ zur Verfügung gestellt werden, soll der zypriotische Staat dazu genötigt werden, Spareinlagen der Gläubiger über hunderttausend Euro der in verheerender Weise durch die Ruinierung Griechenlands betroffenen Banken mit einer Zwangsabgabe von 40 bis 60 % zu belegen. Alarmierend auch für eine breitere gesamteuropäische Öffentlichkeit wirkte der Umstand, dass anfangs ins Auge gefasst wurde, selbst Spareinlagen unter hunderttausend Euro in den Plünderungsfeldzug miteinzubeziehen. Der Shooting Star des britischen Souveränismus, Nigel Farage, Vorsitzender der UK Independence Party, sprach sich im März 2013 gegen jedwede Investitionen in der Euro-Zone aus, denn diese werde „jetzt von Leuten regiert, die weder Demokratie noch Rechtsstaatlichkeit respektieren, noch die Grundsätze achten, auf denen die westliche Zivilisation basiert“.
Unmittelbar zuvor hatte das zypriotische Parlament einstimmig das EU-Diktat abgelehnt. Wenige Wochen später, nachdem die Mitte-Rechts-Koalitionsregierung Zyperns, deren Parteien über eine knappe Mehrheit im Parlament verfügen, davor gewarnt hatte, das Land würde im Falle einer Ablehnung vor einem Kollaps stehen, stimmte das Parlament jedoch einer modifizierten Fassung des „Hilfspakets“ zu. Somit führte die Strategie der Legitimierung quasi exekutivstaatlicher Oktrois „systemrelevanter“ Entscheidungen durch deren post festum Absegnung durch die betroffenen Volkssouveräne wieder einmal beim zweiten Anlauf zu einem „Erfolg“. Erinnert sei an dieser Stelle daran, dass vor fünf Jahren – im Juni 2008 mit Irland das einzige Land, in dem der Volkssouverän direkt über den EU-„Reformvertrag“ abstimmen konnte, diesen Vertrag zunächst ablehnte – bis vier Monate später die Regierung „aufatmen“ (DIE ZEIT) konnte, als ein erneutes Referendum zum gegenteiligen Ergebnis führte.
Die Krone setzte dem rechtsnihilistischen Umgang der EU-Organe mit einem EU-Mitgliedstaat die Initiative von MdEP Daniel Cohn-Bendits auf, „angesichts der Europawahlen 2014 zwei Beobachter als Vertreter der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft ins Europaparlament einzuladen“. Wenngleich der entsprechende Antrag im EU-Parlament mit 412 gegen 135 Stimmen abgelehnt wurde, führt der Umstand, dass ein nicht unerheblicher Teil der Europaparlamentarier bereit ist, nach dem Vorbild der völkerrechtswidrigen Anerkennung der „Republik Kosovo“ in dem Staatsterritorium der Republik Serbien die territoriale Integrität eines bereits 2004 der EU beigetretenen Landes offiziell zu negieren, in drastischer Weise die Nichtexistenz einer „Werte- und Interessensgemeinschaft“ EU (Joseph Martin Fischer) vor Augen.

Daniel Leon Schikora

* Erstveröffentlicht in: EUROjournal, 2/2013, 3-4.

Die Geschichte kommt zurück - Das armenische Diyarbakir (Tigranakert)

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 Ruine der armenischen Kathedrale in Dersim/Türkei
"Amputation" ist wohl einer der zutreffendsten Metaphern für die Geschichte der Städte in der heutigen Türkei. Denn diese verloren nach der Ermordung und Auslöschung der Armenier - beginnend mit den hamidischen Massakern und endend mit dem jungtürkischen Genozid - nicht nur ihre Begründer und Bewohner, sondern auch ihre Geschichte. 
Solange sich aber auch nur einer erinnert, kommt die Geschichte zurück. 

Lest die Erzählung von Mely Kiyak (Die Zeit):
"Mein vorerst letzter Text, den ich aus Diyarbakir im Südosten Anatoliens sende, soll der vielleicht größten Wunde der Stadt gelten. Die Geschichte Diyarbakirs ist die einer Amputation. So wie ein Mensch Arme und Beine hat, so selbstverständlich waren die Christen Teil der Stadt. Diyarbakir verlor sein politisches Gleichgewicht nicht erst mit dem Krieg gegen die Kurden ab 1980, auch nicht mit der Auslöschung der Armenier 1915, sondern bereits am 2. November 1895."
          [...]
"In der Türkei aber auch in Deutschland leben Leser, die nur die Rhetorik der Nationalisten kennen, nach dem Motto, "die Kurden, Aleviten oder Armenier gefährden die Einheit der Nation". Mit Leuten, die Menschenrechtsverletzungen nicht als solche benennen können, kann man keinen Weg der Versöhnung gehen, das ist mir klar geworden."


http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-08/kolumne-tuerkische-tage-diyarbakir-armenien-tuerkei/seite-2

Der verhasste Kolumnist: Sevan Nisanyan

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Sevan Nisanyan ist ein Kolumnist, Querdenker und Armenier. Es sprechen also bereits drei Gründe dafür, warum der Main-Stream in der Türkei ein Problem mit ihm hat. 
Als würde dies nicht ausreichen, spricht er auch noch frech all' jene Themen an, die zum Heiligtum der türkischen Autorität zählen: Das Türkentum, den Islam und die derzeitige Regierungspartei AKP. 

Mustafa Kemal Atatürk habe eine faschistische Diktatur unter dem Diktat des Nationalismus errichtet, Erdogan sei ein autoritärer Islamist und Mohammed sei ein arabischer Führer gewesen, der mit seiner Behauptung, er habe Kontakte zu Gott, politische, finanzielle und sexuelle Vorteile gezogen habe.

Nisanyan ist um keine Erklärung verlegen. Von der EU oder den USA gab es noch kein Statement oder Solidaritätsbekundung mit Sevan Nisanyan. Anscheinend sind nur tote Armenier ein kleines Statement wert.  

"In 2008, he authored “The Mistaken Republic: 51 Questions  about Ataturk and Kemalism,” arguing that Turkey’s founder, Mustafa Kemal Ataturk, established a fascist dictatorship under the guise of nationalism. Mr.   Nisanyan continues to frequently publish witty critical posts   against the authoritarian bodies of the Turkish government on his blog, often with direct critiques on the Erdogan regime.
[...]
          “Mocking an Arab leader — who claimed that he contacted God          hundreds of years ago and who gained political, financial and            sexual profit from this — is not a hate crime. Almost at the              level of kindergarten, it is a test case of the thing called                  ‘freedom of expression.’”

NUNBERG: Silencing a secularist in Turkey
http://www.washingtontimes.com/news/2013/aug/8/nunberg-silencing-a-secularist-in-turkey/

Gesichter des 2.Weltkriegs

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""Bis zu 13 Millionen Zwangsarbeiter plackten zwischen 1939 und 1945 für die Nazis. Über 3 Millionen sowjetischer Kriegsgefangener starben durch Hunger, Krankheit oder Kälte.

In Armenien, eine der 15 Ex-Sowjetrepubliken, im Südkaukasus gelegen und eines der ärmsten Länder des europäischen Kontinents, leben noch einige von ihnen. Nach Kriegsende 1945 wurden die Rückkehrer in der Sowjetunion als Vaterlandsverräter geächtet, heute leben in Armenien viele in bitterer Altersarmut.

Die verstoßenen Kriegsgefangenen

http://www.vice.com/de/read/die-verstossenen-kriegsgefangenen

"Wir sind israelische Christen, keine Araber"

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Es heißt, die Christen im Nahen Osten seien hin und her gerissen zwischen den verschiedenen Fronten. 
Sunniten gegen Alawiten, Sunniten gegen Schiiten, Araber gegen Israelis, Muslime gegen Juden u.a. 
Für Israelis sind alle Christen Araber und für Araber sind Christen "Kolonien des westlichen und zionistischen Imperialismus." Es ist längst an der Zeit, das die christlichen Völker des Nahen Ostens den Mund aufmachen. So wie dieser aramäische Priester. 
          Die Brüder und Schwestern im Glauben sollten dem Folgen, statt sich aus Angst vor den Arabern                 künstlich zu echauffieren. 
"Die Charakterisierung als «arabische Christen» wird bewusst vermieden, manchmal vehement zurückgewiesen: "Wir sind Aramäer, wir sind israelische Christen. Wir lassen uns keine Arabisierung aufzwingen", kritisiert Shadi Haloul vom Offiziers-Forum.
Ihnen gegenüber stehen die offiziellen Kirchen und viele palästinensische Christen, die in der Initiative einen weiteren israelischen Versuch sehen, einen Keil in die palästinensische Bevölkerung zu treiben und Israels Christen und Muslime zu spalten." 
Bruderzwist 
http://www.domradio.de/nachrichten/2013-08-13/streit-um-armeedienst-im-heiligen-land

Schöner leben ohne Nazis - Make Jens Stoltenberg and Günter Grass History!

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Das Irre hat abzusaufen, die Irren hingegen sind zu retten. Wenn sie nur wollen. (Franz Schandl)

Grass' norwegische Kameraden, zur Kenntlichkeit entstellt:
"In einem Interview des staatlichen Rundfunks in Schweden sprach Botschafter Isaac Bachman über die Palästinenser, die Israel als Geste des guten Willens vor der jüngsten Verhandlungsrunde freigelassen hat: 'Damit die Bewohner in Skandinavien es verstehen, kann ich sagen, dass die Taten, die jene palästinensischen Häftlinge begangen haben, vergleichbar sind mit Breiviks Taten. Stellen Sie sich vor, dieser Mörder würde als Geste freigelassen, so wie jene inhaftierten Mörder jetzt freigelassen wurden.'

Einem Bericht der Tageszeitung 'Yediot Aharonot' zufolge fügte der Diplomat hinzu: 'Israel erhält nicht genügend Unterstützung in der weltweiten öffentlichen Meinung für einen Prozess, der so schwer für viele Familien ist, die ihre Lieben verloren haben. Studien haben gezeigt, dass jene Verbrecher dieselben Taten wieder begehen werden, derentwegen sie ursprünglich inhaftiert wurden.'

Angehörige der Opfer von Breivik bezeichneten den Vergleich als völlig unlogisch. 'Das ist einfach nur lächerlich, die beiden Fälle miteinander zu vergleichen', zitierte eine schwedische Nachrichtenseite in englischer Sprache einen Vater. Der Vater eines weiteren Opfers sagte: 'Breivik war ein Terrorist, der aus eigenem Antrieb und unter einer illusionären Situation gehandelt hat. Die Palästinenser kämpfen, um Freiheit zu erlangen.'"*
Mit welchem Recht fordert der Nazi-Abschaum, der die "palästinensischen" Kindermörder für Freiheitskämpfer erklärt, für sich selbst Menschen- und Bürgerrechte ein, die er Millionen jüdischer (und nichtjüdischer) Menschen einfach deshalb, weil diese (loyale) Bürger des Staates der Shoah-Überlebenden sind, prinzipiell nicht zugesteht?

* israelnetz.com, 15.8.2013

Pluralismus-Nutznießer der Woche: Wolfgang Röhl

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Der Achgut-Autor Wolfgang Röhl bewirbt die "arte"-Sendung "Churchills größtes Spiel" mit der Bemerkung, man könne aus ihr "erfahren, wie der ahnungsloseste, historisch verhängnisvollste US-Präsident aller Zeiten hieß". Der verhängnisvollste US-Präsident aller Zeiten, so Röhls Botschaft, war 1933-45 im Amt; gemeinsam mit Churchill und Stalin nahm er uns den Führer. Dabei sollte Röhl jedoch nicht gänzlich ausblenden, was das "Verhängnis" ihm und seinesgleichen Gutes brachte: Es gab seiner Bloggerkollegin Vera Lengsfeld Anlass, John Demjanjuk in rührender Weise als Opfer einer politischen Justiz Israels zu porträtieren, und ermöglichte es zudem dem kaum weniger dummen Akif Pirinçci, einen von Einwanderern ausgehenden "Genozid" an jungen deutschen Männern zu diagnostizieren.

Der exzessive Pluralismus, wie er bei Achgut praktiziert wird, verdankt seine institutionelle Garantierung dem "verhängnisvollen" Sieg der amerikanischen Demokratie und ihrer Verbündeten über den Hitlerfaschismus.

Befreiung von einem Namen, an dem Blut klebte

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Ex iniuria ius non oritur (Aus Unrecht geht kein Recht hervor). Eine Kölner Stadtverwaltung weigerte sich nichtsdestotrotz zunächst, dem Antrag einer Armenierin stattzugeben, die ihren Familiennamen ablegen wollte, den die Türkei 1935 ihrer Familie aufgezwungen hatte. DIE WELT vom 28.9.2013 berichtet über den letztlich erfolgreichen Vorstoß Madlen Vartians, sich von ihrem ihr durch die Mörder des größten Teils ihrer Familie aufgezwungenen Namen Gülbeyaz zu befreien: http://www.welt.de/regionales/koeln/article120446954/An-meinem-Namen-klebte-Blut.html.

"Gott darf ruhig alles hören, wir sind mit ihm per Du"

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"Armenier achten Autoritäten, aber sie zeigen sich nicht als sündige Selbstbeschuldigte, die bußbereit auf Knien rutschen oder sich auf den Boden werfen. Erst wird vor dem Altar gebetet, dann geschwatzt. "Gott darf ruhig alles hören, wir sind mit ihm per Du", sagt eine Reiseleiterin und überlässt es ihrer Gruppe zu überlegen, von wem Gott sich wohl siezen lässt."
Wo der Kommunismus als Witz noch weiterlebt
http://www.welt.de/reise/nah/article122658915/Wo-der-Kommunismus-als-Witz-noch-weiterlebt.html

Deutsche- und U.S.-Terroristen morden Aramäer in Syrien

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Angesichts der Tatsachen klingt es schon fast verharmlosend, wenn man davon spricht, dass der Westen, sprich die USA und Europa, die Terroristen in Syrien - oder wie sie liebevoll auch genannt werden  "syrische Opposition" - unterstützt. Vielmehr wird dieser Abschaum unter anderem in Deutschland rekrutiert und nach Syrien versendet.

Nunmehr fürchtet man sich in Deutschland, dass dieses Mörder-Pack lebend wieder zurückkehren könnte. Die deutsche Hoffnung, das sie dort unten so viele Syrer wie möglich ermorden bis sie selbst von einer Kugel getroffen werden, zerplatzt damit. 
Wer anderen eine Grube gräbt...

Derzeit ermordet dieser Abschaum aus Deutschland die Aramäer in Syrien. 
"In Syrien hat ein grausames Massaker an Christen stattgefunden. Es gab Massengräber, zu Tode gefolterte Frauen und Kinder, verwüstete Kirchen. Täter waren die vom Westen unterstützten Rebellen gegen das Assad-Regime."
Die Welt ignoriert das größte Massaker an Christen in Syrienhttp://www.israelheute.com/Nachrichten/Artikel/tabid/179/nid/26441/Default.aspx?hp=article_title

"170 Islamisten aus Deutschland kämpfen derzeit im syrischen Bürgerkrieg – Tendenz steigend. Der Chef des Verfassungsschutzes fürchtet vor allem deren Rückkehr."

Meisterstück: Buch des Flüsterns - Varujan Vosganian

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"Dessen ungeachtet erntete er für seinen Roman, der in mehreren europäischen Sprachen vorliegt, zu Recht Anerkennung. Die Handlung beginnt mit den Massakern in Trapezunt, dem heutigen Trabzon, im Jahr 1895/96 und endet mit der Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink durch einen aus Trabzon stammenden Attentäter. Dazwischen zieht sich das Schicksal des armenischen Widerstandes wie ein roter Faden durch die Handlung. Nach den nie vollstreckten Urteilen an den türkischen Drahtziehern des Genozids hatte es eine Untergrundgruppe auf sich genommen, das den Armeniern zugefügte Unrecht durch gezielte Attentate im Rahmen der Operation Nemesis zu rächen. Der Roman ist somit nicht nur einer über die ungeheuren Leiden, sondern auch über die Widerstandskraft dieses kleinen Volkes und dürfte neben Franz Werfels „Vierzig Tage des Musa Dagh“ in die Literaturgeschichte eingehen."

Einer bleibt, der von Leid und Vergeltung erzählt
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/varujan-vosganian-buch-des-fluesterns-einer-bleibt-der-von-leid-und-vergeltung-erzaehlt-12623744.html


Idol des Abschaums: Willy Brandt

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Aus einem wz-newsline-Interview mit dem einstigen SS-Angehörigen Günter Grass vom 13.12.2013:

wz-newsline: Herr Grass, was macht die politische Lebensleistung von Willy Brandt aus?

Günter Grass: Das sind vor allem zwei Dinge: Er hat uns Deutschen einen Weg gewiesen, wie man aus einer verfahrenen Situation wie dem Mauerbau mit einer Politik der kleinen Schritte – das heißt, im dauernden Gespräch mit dem politischen Gegner auf der kommunistischen Seite – dennoch Fortschritte machen kann und den Weg bereitet, bis hin zum Mauerfall. Das ist die eine große Leistung.

wz-newsline: Und die zweite?

Grass: Die ist nicht genügend wahrgenommen worden – leider, und dafür bezahlen wir heute. Willy Brandt hat, als er nicht mehr Kanzler war, aber noch SPD-Parteivorsitzender, im Auftrag der Uno einen 1980 veröffentlichten Nord-Süd-Bericht geschrieben. Darin hat er auf die Lage in den Ländern der sogenannten Dritten Welt hingewiesen. Er hat eine neue Weltwirtschaftsordnung vorgeschlagen, in der die Staaten der Dritten Welt sozusagen auf Augenhöhe mit den Industrienationen verhandeln – das ist nicht geschehen.

wz-newsline: Mit welchen Konsequenzen?

Grass: Willy Brandt hatte bereits darauf hingewiesen: Zorn, Ärger und Wut steigern sich in diesen Ländern durch Not, Elend, Verelendung – und das ist der ideale Nährboden für Terrorismus. Der Terrorismus, mit dem wir es heute zu tun haben, den haben wir uns zum Gutteil selber eingebrockt, nicht zuletzt deshalb, weil wir von dieser wegweisenden Schrift Willy Brandts keinen Gebrauch gemacht haben.

Die defekte Demokratie der Türkei - Korruptionsbekämpfung als Mittel zum Machtkampf?

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Die Türkei kommt nicht zur Ruhe. Ministerpräsident Erdoğan ändert sein Kabinett, Minister werden ausgetauscht und Rochaden beginnen. Loyalisten von Erdoğan auf der einen Seite und Gülenisten, Polizisten und Staatsanwälte auf der anderen Seite. Der neue Tiger am Bosporus wandelt sich in eine Wildkatze auf der Jagd nach ihrem eigenen Schwanz.

Kommt das System der AKP ins Wanken?

Nicht die Gezi Proteste im Frühjahr 2013 mit tausenden von Verletzten, ausgeschossenen Augen, zu Krüppeln gemachten Bürgern, ins Feuer geschmissenen Demonstranten oder die Toten sind Auslöser des schweren politischen Erdbeben, dass die Türkei erlebt. Nicht die politischen und polizeilichen Unterdrückungsmaßnahmen der Post-Gezi Ära konnten die Partei der Reinheit (AKP) ernsthaft ins Wanken bringen. Es war die Ankündigung die Rekrutierungs- und Finanzzentren der Gülen-Gemeinde zu schließen. Diese Zentren, also eigentlich zur Bildung vorgesehenen Nachhilfezentren, sind die Arterien der Gülen-Gemeinde. Human Resources werden hier gefunden, weiße Blutkörperchen und Antikörper im Leviathan. Die Gülen-Gemeinde, die sich lieber als lose Bewegung darstellt, hat ihre Soldaten in den Kampf geschickt. Gülen verneint zwar hinter den aktuellen Razzien zu stehen, aber glaubhaft hört sich das nach den Gesamtumständen nicht an.

Dazu passt auch die langfristige Strategie der Gülen Gemeinde nicht, irgendwie moderner und nicht so autoritär wie Erdoğan zu wirken. Bis hierhin waren sie Alliierte, die Reinigung des Staatsapparates von den alten Kemalistischen Eliten wurde gemeinsam getragen und vollzogen. Journalisten und Polizisten die über die Gülen-Gemeinde berichteten wurden kalt gestellt, autoritär und kompromisslos. Ein Ergenekon Prozess losgetreten und hunderte Menschen, hochrangige Militärs, verhaftet. Die Dogan-Mediengruppe wurde in Teilen der AKP zugeeignet. Aber jetzt, wegen einer Bildungsmaßnahme, der Verstaatlichung von „Dershanes“, ist die Autorität Erdoğans nicht mehr en-vogue und ertragbar für die Gemeinde?

Die Korruptionsermittlungen, die im jedem Rechtsstaat zu begrüßen sind, erscheinen im Gesamtkontext als ein Vehikel zum Machtkampf. Ein unbehagliches Gefühl besteht daher bei den Türken. Ist das Ziel nur die Korruptionsbekämpfung? Ist überhaupt die Korruptionsbekämpfung in einem Staate möglich, an der die politische Mehrheit meint ein Besitz- und Ausbeutungsrecht an eben diesem zu besitzen? Die auf Rousseau zurückgehende Gewaltenteilung erscheint in einem ganzen neuen Bilde, wenn Polizei, Staatsanwälte und Regierung sich bekämpfen, um sich gegenseitig zu vernichten. The winner takes it all, daher auch die Vehemenz in der Auseinandersetzung,

Auch die zivilgesellschaftlichen Strukturen die der Gemeinde dienen, also nicht dem Volke (vs. Hizmet), werden nun genutzt. Das Medienimperium Gülens schlägt zu. Flankiert durch nahezu geheimdienstähnliche Aktionen,Videoaufnahmen aus Hotelzimmern, und mit der Pressearbeit abgestimmt wirkende Exekutivmaßnahmen. Man stelle sich die Verbreitung von Sexvideos vor, die deutsche Politiker beim coitus interruptus oder sonst wie zeigen? Das macht dem Bürger Angst, jedenfalls dem türkischen Bürger.

Die Nachhilfeschüler erteilen Erdoğan gerade eine Lektion, wie ein fachübergreifendes Konzert aussehen kann und das System AKP, so wie wir es kennen, zusammenfallen kann. Das Gülen-Orchester spielt auf ihren Geigen. Nicht das Niedermachen friedlicher Demonstranten, nein, Korruptionsvorwürfe die gegen den inneren Kreis der AKP gerichtet sind und die Beseitigung ihrer Verfolger bringt die Gülen-Gemeinde auf die Palme. Ein seltsames Demokratieverständnis offenbart sich. Geld vor Leben und Freiheit.... wurden vielleicht zu oft Gülen nahe Unternehmen von öffentlichen Staatsaufträgen ausgeschlossen?

So oder so, die Pauken und Trompeten kommen zum Schluss des Stückes. Wenn man Gülens Verwünschungsvideo über das „Lasst Feuer auf Ihre Häuser regnen“ sich ansieht, dann kann man sich und vielleicht sollte man sich Erdoğan in Ketten vorstellen.

Der Ausgang des Machtkampfes innerhalb der Strukturen des modernen EU-Beitrittskandidaten ist offen. Je länger der Machtkampf dauert, desto schärfer werden die Reaktionen der Regierung ausfallen und Erdoğans Loyalisten um die Milli Görüs die Überhand gewinnen. Sie haben dann Zeit um kreative Ideen zu finden. Wie zu befürchten ist, sind nicht gerade demokratische Maßnahmen zu erwarten. Die defekte Demokratie der Türkei wird auch diesen Kampf überleben, mangels einer demokratischen Alternative wird die AKP nach diesem tête-à-tête höchstwahrscheinlich weiterregieren. Das System wankt, aber es ist alternativlos.


Wie konnte es zur Auseinandersetzung zwischen Gülen und Erdoğan kommen?
- Die Suche nach dem Scheideweg

Für den westlichen Leser wird über Gülen nahe Medien ein Dissens über den Umgang mit der GAZA-Flottila als Ursprung des Konfliktes herbeigeredet. Es wird die Legende nach dem Scheidepunkt der Weggefährten gesucht, am besten in einem Zeitraum noch weit vor Gezi. Die Meinungsverschiedenheiten seien also langfristiger Art, so versucht die Gemeinde dem Westen zu suggerieren. Die Gülen-Gemeinde soll auch israelfreundlicher sein als der Rest der arabischen, muslimischen Welt, also moderner, irgendwie unterstützungswürdiger. Die Gemeinde hat ja die Aktion der IHH kritisiert, die "One-Minute" Aktion in Davos zwar scheinbar übersehen, aber immerhin. Vielleicht ist die Gemeinde so israelfreundlich wie das Königreich Saudi-Arabien? Ein Saudi-Arabien, dass durch die enge Anbindung an die USA auch irgendwie israelfreundlich erscheint. Gemeint ist eigentlich nur das gemeinsame Feindbild Iran. Der Iran, der ähnlich wie Gülen in beispielloser Weise sehr aktiv auf dem afrikanischen Kontinent ist. Ein Konkurrent Irans, die Gülen Gemeinde, ist aus Sicht der USA unterstützenswert, gleichgültig über welche Gefahren sie aus der Türkei unterrichtet wird (siehe Wikileaks). Die USA haben bekanntlich auch ein gespaltenes Verhältnis zur Scientology-Sekte.

Der Anführer Gülen jedoch, der im freiwilligen Exil in den USA lebt, hat verstanden die Positionen des Exillandes halbwegs zu vertreten. Dass Erdoğan ihn aufgerufen hatte, wieder in die Türkei zurück zu kommen und er die Türkei weiterhin meidet, galt damals als PR-Coup von Erdoğan . Gülen, der so lieber als Prediger aus der Ferne durchgeht, macht das aus strategischen Gesichtspunkten gut, nicht nur weil er damit dem Wirkkreis der türkischen Regierung entgeht. Er ist auch freier "westliche Positionen" anzunehmen. So verwundert nicht, dass der Handel mit dem Iran, insbesondere die Goldgeschäfte ein Werkzeug sind, um Erdoğan in der westlichen Welt in Verruf zu bringen. Goldgeschäfte, deren steigender Umfang allen Akteuren bekannt ist. Selbst das Auswärtige Amt berichtete auf ihrer offiziellen Homepage über die steigenden Goldexporte in den Iran (Gold for Oil). Die Türkei war auch eingebunden in die Atomgespräche mit dem Iran und sollte ein Mittler sein. Eine Rolle, die sie als Geschäftspartner des Iran und Bündnispartner der Nato gut erfüllen konnte. Mit diesem Blick erscheinen die Geschäfte aus amerikanischer Sicht irgendwie auch zweckdienlich.

Nun wird Erdoğan dargestellt als jemand, der abweichende Meinungen nicht leicht tolerieren kann. Keine neue Erkenntnis. Aber Gülen soll vom heutigen Tage (oder seit der GAZA-Flotilla, wir wissen es nicht genau) Abweichlerm ein Gegenspieler Erdoğan sein. Das neue Image wird peux-a-peux aufgebaut, ein Widersacher entsteht,so wollen uns Gülen nahe Medien und einige der Gemeinde sehr freundliche gesinnte Journalisten Glauben machen.

Während der Gezi Proteste wurde von Gülen zur Mäßigung aufgerufen, so heißt es dann auch zusätzlich. Da ginge auch noch ein Bruch zwischen den Beiden soll uns vermittelt werden. Zwei, drei vielleicht auch ein paar mehr gestreute Sätze gab es von Gülen, um bei Zeiten diese Karte ziehen zu können. Das was jetzt auch getan wird. Verflucht hat er die Täter oder Hintermänner der Niederschlagung des friedlichen Volkes jedoch nicht, aber ein paar herausgeworfene Polizeioffiziere bringen den Anführer und menschenfreund Gülen zur Weißglut.

Gab es eigentlich politische Konsequenzen nach Gezi? Rücktrittsforderungen aus dem Gülen Lager, als die Polizisten noch im Blute der Demonstranten marschierten? Wurde die Frage nach der Verantwortung gestellt? Die Polizeiführung besteht zu Teilen aus Gülen Leuten, zumindest leaken das in ähnlicher Weise auch amerikanische Diplomaten. War es aber nicht die Polizei, die die Demonstranten in verstörender Weise durch die Straßen jagte? Istanbul das brennende Schlachtfeld vor Augen und die Gülen Gemeinde ein stiller, anteilsloser Beobachter der Gezi Niederschlagung, wo doch gerade der Istanbuler Polizeichef den Hut nehmen musste wegen unterstellter Nähe zur Gülen Gemeinde? Die Post-Gezi Maßnahmen, die bis zur Verfolgung von einzelnen Tweets ging, wurde „nur“ stillschweigend mitgetragen? Sollen wir das unter der Modernisierung des Islam durch Gülen verstehen?

Die nach den islamistischen Lagern empfunden Sklavenordnung des (säkulären) Kemalismus war am Auferstehen, so die Befürchtung in der AKP. Auch wenn die Gezi Protestler pluralistischer waren in ihrer Besetzung, so ging die Angst eines laizistischen Staates um. Die Säkularität des Staates lag in der Luft, vielleicht sogar ohne staatliche Religionsbehörde, die Errungenschaften der „schwarzen Türken“ schienen damit in Gefahr. Dass Erdoğan sich ständig der Sprechweise seines politischen Ziehvaters und knallharten Antisemiten Erbakan (Zinslobby, Verschwörung, etc.) bediente, schien dabei den wenigsten Kommentatoren aufzufallen. Die AKP mit ihren beiden Lagern hat zur konsequent an einem Strang gezogen, um die landesweiten (Gezi-) Proteste niederzuschlagen, eine andere Geschichtserzählung ist schwer nachvollziehbar. 

Das Bild zeigt einen Polizisten während der Gezi-Prosteste, der die Tanks eines Wasserwerfers mit Pfefferspray befüllt.

Wenn es nicht Gezi war, nicht die Gaza-Flotilla, war die Minderheitenpolitik der AKP der Anfang vom Bruch im AKP Lager?

Seltsamerweise bezieht das „Modernitätsverständnis“ der Gülen Gemeinde die Lösung des Kurdenkonfliktes oder die eigenständige Rolle der Aleviten in der türkischen Gesellschaft nicht mit ein. Der Dialog der Dialogerfahrenen endet im eigenen türkischen Hinterhof, weil ein möglicher Gesprächspartner gegenüber steht, der Forderungen nach Gleichberechtigung und Anerkennung stellt. Eine völlig andere Situation als die Kaffeekränzchen und Geldübergabeveranstaltungen (Verleihung von Dialogpreisen) in Deutschland.

Die sonst mit großen gesellschaftlichen Plänen aufwartende Gülen Gemeinde übernimmt eine antikurdische Rolle, ein blockierender Spielverderber ist sie dabei, mehr nicht. Zur Schließung der Nachhilfeschulen wurde dann auch gleich kolpotiert, die PKK würde die Nachhilfeschulen dann mit kostenlosen angeboten übernehmen. Eine Erklärung für diese Haltung könnte die Vergangenheit Gülen´s aus dem Umfeld der Grauen Wölfe sein. Die Strategie im Umgang mit den Kurden war ein Knackpunkt, die Jagd nach Hakan Fidan, dem loyalen Geheimdienstchef von Erdoğan der in geheime Verhandlung mit der PKK getreten war, war ein wichtiger Teilaspekt des Lageraufstandes in der AKP.

Ein weiterer Grund für das Misstrauen Erdoğans war zudem seine Zeit im Krankenhaus (Anfang 2012). Abdullah Gül, der Gülen Gemeinde wohlgesinnten Staatspräsident, hatte Erdoğans Aufenthalt im Hospital genutzt, um das erste Mal in vier Jahren Präsidentschaft ein Gesetz mit seinem Veto zu blockieren. Es ging dabei um ein Gesetz um die möglichen Strafen bei Betrügereien im Profisportgeschäft zu reduzieren. Erdoğan konnte wohl dieses unabgestimmte Vorgehen nicht verzeihen. Man liegt krank im Bett und die Erben üben bereits den Machtkampf?

Es gibt also viele Sollbruchstellen im Verhältnis von Erdoğan zur Gülen Gemeinde. Den Bruch an einer bestimmten Stelle fest zu machen, wie es die Gülen nahen Medien (Zaman, Deutsch Türkisches Journal, etc) versuchen zu zeichnen, würde der Situation nicht gerecht werden. Vieles, auch das Gülen nicht in die Türkei zurückkehrte spricht für einen lange geplanten Machtkampf, wobei die Gülen Gemeinde sich ein wenig mehr Sympathien des Westens gesichert hat und damit aussenpolitisch ein wenig mehr Rückenwind hat.

Wie weiter in Deutschland?

Welche Auswirkungen hat der Streit der AKP in Deutschland? Wird es zu einem Richtungsstreit in der die Milli Görüs nahen stehenden wirtschaftlichen Vereinigungen MÜSIAD kommen? Wird der Gülen nahe BAREX e.V. - BUV e.V. sich hier in Deutschland einen Streit um die Führung erlauben? Wie wird die UETD , der Auslandsableger der AKP in Deutschland agieren? Wer übernimmt das Ruder?

Ob Deutschland will oder nicht, es wird etwas von den politischen Auseinandersetzung in der Türkei auch in Deutschland ausgetragen werden. Dass vor ein paar Wochen eine Razzia des FBI in einer Gülen Schule in Lousiana stattgefunden hat und nicht das erste Mal in den USA, zeigt, wie kultursensibel wir in Deutschland inzwischen sind. Selbst Homeland Security lässt das Anwesen von Gülen nicht aus den Augen. In Deutschland haben wir einen blinden Fleck was die Gülen Gemeinde angeht. Einen blinden Fleck, den wir uns seit einem Jahrzehnt erlauben, weil wir nicht in Zeiträumen denken, die über zwei Legislaturperioden hinausgehen. Und Aussteiger der Gülen Gemeinde, sie geben sich nicht öffentlich zu erkennen, weil sie mitten in Deutschland Angst haben, um sich und vielleicht Verwandte im Ausland zu gefährden. Ein typisches Verhaltensmuster, dass von Aussteigern sektenähnlicher Strukturen üblich ist.

Wo sind die Türkeiexperten, mit und ohne Migrationshintergrund, in den Parteien? Wann geben Sie uns Antworten auf ihre Haltung und Lösungsvorschläge für den Umgang mit undemokratischen Gesellschaftsteilen? ... Statt einen dotierten Preis nach dem anderen anzunehmen. Zu den Gezi-Protesten hatten schon erstaunlich viele geschwiegen. 

Das Echo des Schweigens ist immer noch hörbar.




  • Der mächtige Widersacher Erdoğans

Willkommen in unserer Welt, Herr Erdogan.

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Was Erdogan noch über Deutschland wissen sollte:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Herr Erdogan, 

Sie haben wieder den Weg nach Deutschland gefunden, zu dem größten Wirtschaftspartner der Türkei. Wir Deutschen sind glücklich über unsere gemeinsame Geschichte, wir exportieren unsere Erfolgsgeschichten in die Türkei, unsere Supermarktketten, Elektrohändler, etc. gewinnen zunehmend an Raum.  Unsere Unternehmen exportieren kräftig, sogar bio-organic ist in der Türkei ein Wachstumsmarkt. Es ist aber nicht so, dass wir nicht auch von Ihnen gelernt haben. Einige Sachen wurden in Zeiten unseres dunkelsten Kapitels von Ihnen kopiert und zum Vorbild genommen. Eine starke Verbindung gibt es seit dem 1. Weltkrieg, auch dank unserer Offiziere in Ihren Reihen.

Wir wollen aber auf aktuelle Themen eingehen. Wir nehmen Zeichen wahr, die auf eine wirtschaftliche Flaute hindeuten. Uns bereiten die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen und strukturellen Defizite Sorgen.
Kaum einem Wirtschaftsexperten oder Normalbürger sind die Strukturprobleme der letzten Jahre entgangen. Wir wissen, in der Wirtschaftswelt lebt auch viel vom Hype und von Gefühlen, daher war das auch aus der Retrospektiven richtig, auf die reinen Wachstumszahlen zu verweisen und andere Felder der Volkswirtschaft auszublenden.

Was aber sind die strukturellen Defizite?
Ein Land wie die Türkei, dass ihre relativ großen Minderheiten sozial und wirtschaftlich ausgrenzt, wird niemals ein Big Player in der globalen Wirtschaft werden können. Wenn ca. 30% der Bevölkerung sozial und wirtschaftlich ausgegrenzt werden und Frauen kaum am wirtschaftlichen Leben teilhaben, wie die OECD festgestellt hat, dann sind jedem Land Grenzen gesetzt. Grenzen, die nicht notwendig sind. Ihre Human Ressources werden nicht voll genutzt. Ein Grund für den Erfolg der Top-Nationen ist aber, dass sie versuchen immer den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg nach oben offen zu halten. Die Teilhabe zu ermöglichen, um sozialen Unfrieden nicht aufkommen zu lassen. Da läuft was falsch in der Türkei.

Angesichts der hinzukommenden Privathaushaltsverschuldung der Türkei, kann sich auch kein nennenswerter Kleinunternehmergeist entwicklen. Für Pokerspieler der Weltwirtschaft sind turbulente Aussichten interessant und spannend. Für Unternehmen, die einen rechtssicheren Rahmen brauchen und langfristig investieren wollen, dürften die aktuellen Berichte zur politischen Lage abschreckend sein.

Unser Hauptaugenmerk sollte aber auf die deutschen Verhältnisse gerichtet werden. Sie wollen hier Wahlkampf machen. Die UETD, ein deutscher e.V., organisiert ihre Auftritte. Über die Finanzströme hören wir nichts.

Es dürfte Ihnen also nicht schwer fallen, unsere Bauchschmerzen nachzuempfinden. Ihre Auftritte in Düsseldorf und Köln waren nicht hilfreich für unsere Integrationsdebatten.

Um Ihren Wahlkampfauftritten etwas entgegensetzen  zu können,  fehlen  uns aber die triftigen Argumente, türkischen Staatsbürgern die Teilnahme an türkischen Wahlen  zu verweigern. Wahlen, die auf deutschem Territorium stattfinden sollen. Früher konnte wir sagen, da gibt es die PKK, es könnten Terroranschläge auf Konsulate, etc erfolgen. Da Sie mit der PKK ganz gut fahren, sind Sicherheitsgründe ein kaum mehr zu haltendes Argument. Was bleibt ist, dass Ihre Reden integrationshemmend wirken. Da wir aber auch ihre politischen Lobbygruppen innerhalb der Parteien tolerieren, wäre es nicht aufrichtig, wenn wir zu viel Wirbel darum machen. Die Reden hören wir uns auch täglich von einigen türkeistämmigen Politikern an oder wenn sie halt nicht reden, dann Schweigen sie meist bewusst. Das Schweigen zu einigen Themen ist ebenso entlarvend.

So bleibt uns Ihnen nur noch zu sagen: Achten Sie darauf, dass sich der ganze Aufwand für Sie auch überhaupt lohnt.

Sie meinen ,so wie viele deutsche Medien, es leben 3-3,5 Millionen Türken in Deutschland, davon seien ca. 1,8 Millionen über 18 Jahre, und damit wahlberechtigt. Gerne korrigieren wir Ihre Annahmen zum AKP Potenzial unter den Deutsch-Türken.

Von den zugewanderten Türkeistämmigen sind:
- ca. 200.000 Armenier, Aramäer, Pontus-Griechen (die Zahl wurde korrigiert, statt 300.000)
- ca. 600-800.000 Aleviten 
- ca. 600-800.000 Kurden.
- ein nicht unbeachtlicher Teil sind Kemalisten 
- ein nicht unbeachtlicher Teil das Abbild der Gezi-Protestler
- ein nicht unbeachtlicher Teil hat gar keinen Türkischen Pass
- nur 5% der wahlberechtigten Auslandstürken ist zu den letzten Wahlen gegangen
- und die Gülen-Anhänger haben Sie verprellt. 

Jetzt brauchen wir einen Think-Tank, um den möglichen Stimmanteil der Auslandstürken annähernd zu bestimmen, da es auch Schnittmengen unter den Gruppierungen gibt.

Was schätzen Sie? Die Zahlen machen eines deutlich, Sie haben sich jahrelang als alternativlos und einzige Masse unter den Türkeistämmigen dargestellt. Deutsche Parteien und Politiker sind ihnen hinterher gelaufen und machen das immer noch.

Und niemand weiß, auf welcher Grundlage die politischen Strategien und Personalentscheidungen getroffen werden. Nur eines ist gewiss, die 99% sind Türken und Muslime- Doktrine aus der Türkei, können Sie nicht auf Deutschland übertragen.

Daher unser Rat, Ihre Ressourcen sollten achtsam eingesetzt werden und unsere Politiker sollten sich fragen, Was haben wir da jahrelang gemacht, ohne Sinn und Verstand? Verprellen wir nicht die, die wir als Stütze der deutschen Demokratie benötigen? Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreichen Aufenthalt und nehmen Sie Bitte die Gewaltenteilung ernst. Sie ist Grundlage für den Erfolg einer Nation, also auch die der Türkischen Republik. 

Freundliche Grüße 








Adem Dolas: Der armenische Patient

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In einem Jahr werden Armenier der ganzen Welt den 100. Jahrestag des Armenischen Genozids gedenken. Doch ist die armenische Gemeinschaft ein Jahrhundert nach ihrer Golgotha in einer ungemein schlechten Verfassung. Armenier leben in mehr oder weniger kleinen Gemeinschaften über die Erdkugel verstreut, ihr Gemeinschaftsleben ist vielfach auf Kirchenbesuche und Feiertage begrenzt und ihr kulturelles Erbe wird immer weniger tradiert. 

Die Republik Armenien wiederum kämpft gegen wirtschaftliche Stagnation, der zivile Aufbau kommt nur sehr langsam voran, das kleine Land leidet an Auszehrung durch die Abwanderung gut ausgebildeter junger Menschen. Das Trauma des Genozids scheint vielfach den normalen Entwicklungsverlauf des armenischen Volkes gestoppt zu haben. 


Die armenische Gemeinschaft muss ihr Trauma in ihr Leben integrieren, um eine Zukunftschance zu haben! Ein Völkermord betrifft in erster Linie nicht das einzelne Individuum, sondern zielt auf eine bestimmte Gruppe als organisches Ganzes. Die entsprechende Gruppe ist nicht nur von physischer, sondern auch von geistiger und kultureller Vernichtung betroffen. So zeigen denn auch einzelne Personen und die zugehörige Gesellschaft Formen komplexer posttraumatischer Belastungssyndrome. Individuen und die zugehörige Gesellschaft zeigen Parallelen im Erleben des Traumas sowie in Phasen seiner Bewältigung. Die Heilung der armenischen Gemeinschaft kann daher nicht allein auf der individuellen Ebene erfolgen. Sie muss das öffentliche Leben einbeziehen.

Indes ist Traumabewältigung ein sehr komplexer Vorgang. In der Fachliteratur werden verschiedene Phasen ihrer Verarbeitung unterschieden. Ein Trauma gesamtgesellschaftlich zu bewältigen, erfordert eine gewaltige geistige Leistung. Dennoch ist sie erforderlich.

Als erster Schritt der Bewältigung muss immer die Sicherheit von Leib und Leben der Opfer gewährleistet sein. Traumabewältigung kann nicht in einer Situation möglicher Re-Traumatisierung erfolgen. Sind die Opfer primär stabilisiert, folgt die zweite Phase der Traumaverarbeitung.

Traumatische Erfahrungen müssen in dieser Phase explizit (wieder) erinnert, ausgesprochen, emotional neu durchlebt und betrauert werden. Die Erlebnisse müssen in die persönliche und gesellschaftliche Biographie integriert werden. Diese zweite Phase der Traumaverarbeitung dauert fast immer deutlich länger als das Opfer gerne hätte; aber auch sie ist irgendwann abgeschlossen und eröffnet nunmehr den Weg zur letzten Phase der Genesung. In dieser dritten und letzten Phase müssen Verbindungen der Opfer zum normalen Leben auf individueller und gesellschaftlicher Ebene neugeknüpft werden. Sie sollen vollständig am sozialen Leben teilhaben.

In welcher Phase der Traumaverarbeitung befindet sich nun die armenische Gemeinschaft hundert Jahre nach dem Völkermord? Diese Frage kann weder auf individueller noch auf gesellschaftlicher Ebene präzise beantwortet werden. Jede armenische Gemeinde - je nach Einwanderungsland und Zeitpunkt ihrer Auswanderung, ihrer Zusammensetzung und ihrem Gruppenzusammenhalt, je nach ihrem Bildungsstand und erfolgreicher Integration ins Aufnahmeland - ist in einer anderen Phase der Bewältigung. Die Sicherheit für Leib und Leben der Armenier ist bis auf einige Gemeinden im Nahen Osten gewährleistet; sie gilt für die armenische Diaspora in der westlichen Welt sowie für die Republik Armenien. Das Gros der armenischen Gesellschaft jedoch befindet sich in der zweiten bis dritten Phase der Traumabewältigung. Welche konkreten Schritte sollten nun unternommen werden, um sie zu stärken?

Wie bereits erwähnt, müssen die Geschehnisse in einer Atmosphäre der Sicherheit ,,neuerinnert“ werden. Wissenschaftliche Publikationen, insbesondere zum Leben der Armenier in osmanischen Reich vor dem Völkermord und zur Chronologie des Genozids leisten wichtige Dienste und ergänzen das Wissen innerhalb der jeweiligen Familien mit ihren spezifischen Einzelschicksalen. Es ist notwendig, das Leben vor der großen Katstrophe geistig zu rekonstruieren. Wie lebten die Armenier vor dem Völkermord im Osmanischen Reich? Wie gestaltete sich ihr Alltag? Welche Wünsche, welche Vorstellungen und Ziele hatten sie? Die Rekonstruktion der Zeit vor dem Trauma dient der Wiederentdeckung der eigenen Identität. Zum Thema des Ablaufs des armenischen Genozids sind mittlerweile zahlreiche Publikationen erschienen und in der wissenschaftlichen Welt besteht Konsens über den Tathergang und ihre Einordnung.

Nun muss das ,,Unaussprechliche“ öffentlich ausgesprochen werden. Öffentliche Aussagen, insbesondere im Beisein Dritter haben immer einen Zeugnischarakter. Sie fordern von unbeteiligten Dritten keine Statistenrolle, sondern aktive moralische Solidarität. Sie werden aufgefordert, Stellung zu dem Konflikt zwischen dem Opfer und Täter zu beziehen. Zusätzlich müssen Armenier im öffentlichen Raum um ihr gemeinsam erlittenes Schicksal trauern können. Diese Art der Trauer hat eine rituelle Komponente. Museen, Denkmäler, Trauermärsche müssen verstärkt organisiert und öffentlich wahrgenommen werden. Das Ziel ist, die Verbindungen zwischen individuellen und öffentlichen Welten wiederherzustellen.

In der letzten Phase der Genesung schließlich müssen die Bindungen zum normalen Leben wiederhergestellt werden. Traumata erschüttern generell zwischenmenschliche Beziehungen, zersetzen Beziehungen zu Familie und Freunden, Partnern und Nachbarn. Weiterhin untergraben sie das Wertesystem, das dem Leben seinen Sinn gibt und als Bindeglied zwischen dem Individuum und der Gesellschaft dient. Das Urvertrauen in eine natürliche oder göttliche Ordnung wird durch ein Trauma zerstört.

Im Falle dieses ersten christlichen Volkes, für das der christliche Glaube eine zentrale identitätsstiftende Rolle hat, ist dies besonders essentiell. Armenier müssen Antworten auf moralische und theologische Fragen nach Schuld, Verantwortung und Sühne finden; sie müssen ein neues Wertesystem erwägen, das ihrem Leiden einen Sinn gibt. Sie müssen Antworten auf existentielle Lebensfragen, wie der Verwundbarkeit menschlichen Daseins und der menschlichen Fähigkeit zum sogenannten Bösen finden. Schließlich müssen sie das ,,Warum?“ und ,,Warum gerade wir“ emotional zufriedenstellend auflösen. Endlich müssen sie das Stigma des Opfers und seine Isolation überwinden und das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und Kraft wiedergewinnen.

Der Schlüssel zur Zukunft der Armenier liegt in ihrer Vergangenheit. Sie sollten ihre Geschichte besser kennen, um ihre zukünftige Welt neu aufbauen zu können. Weitere Publikationen, insbesondere zum reichhaltigen armenischen Leben vor dem Völkermord im Osmanischen Reich und zur Chronologie des Genozids, sind wünschenswert und notwendig. Ein wachsendes öffentliches Bewusstsein ist für die Traumabewältigung des armenischen Volkes unabdingbar. Armenier müssen ein neues Narrativ ihres Schicksals finden, das nicht mehr von Scham und Demütigung durch einen Völkermord, ihrer Entwürdigung, Entmenschlichung, Ohnmacht und Vernichtung handelt, sondern von Würde und Mut des Überlebens und Widerstands.

Bis zu diesem Tag wird der armenische Fluss zwischen der Zeit vor dem Völkermord und der Gegenwart nicht weiter fließen. Bis zu jenem Tag bleibt die die armenische Uhr am 24. April 1915 stehen.

Adem Dolas, 32, lebt und arbeitet als Arzt in Düsseldorf

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_armenische_patient




Dachverbände der Aleviten, Armenier und Aramäer verurteilen Massaker an Alawiten in Syrien

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Zum Massaker an Alawiten in Syrien und der Unterstützung der Jihadisten aus dem Ausland erklärt die Alevitische Gemeinde Deutschland:
Die Alevitische Gemeinde Deutschland und die Unterzeichner fordern die sofortige Unterbindung von Waffenlieferungen und den unmittelbaren Stopp der Förderung von islamistischen Rebellen. Zudem fordern wir ein Überdenken der einseitigen Beistandspolitik durch die Europäischen Union und der westlichen Staatengemeinschaft. Wir verurteilen jegliche Form von Gewalt aufs Schärfste.
Die Operation in Maan ist wegen des Ausmaßes nicht nur ein Verbrechen gegen Alawiten, sondern stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Der Schutz von religiösen Minderheiten, wie z. B. den Angehörigen der syrisch-orthodoxen oder armenischen Gemeinschaft und der Drusen, als auch von ethnischen Minderheiten, wie die kurdische und aramäische Bevölkerung, muss durch die internationale Staatengemeinschaft gewährleistet werden. Die Verantwortlichen für die Massaker sowie ihre Beihelfer müssen vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden.
Hintergrundinformationen zum Massaker an Alawiten in Maan:
Im Dorf Maan der Provinz Hama im Norden des Landes massakrierten islamistische al-Nusra Rebellen dutzende Angehörige der alawitischen Minderheit, darunter viele Kinder und Frauen. Dies ist nicht das erste, systematisch geplante Massaker an syrischen Alawiten. Bereits zuvor haben Terroristen aus islamistischen Brigaden etliche Dörfer der alawitischen Minderheit besetzt. Hierbei wurden dutzende Menschen aus der Zivilbevölkerung als Geisel genommen und getötet.
Unterstützung der Jihadisten aus dem Ausland
Bestärkt wird der Syrienkonflikt durch Jihadisten aus dem Ausland, insbesondere der türkischen Regierungspartei AKP, die nach mehreren Medienberichten den ungehinderten Grenzübergang von Rebellen mit Waffen sowie Verpflegung zulässt. In den vergangenen Wochen wurde bekannt, dass mehrere LKWs mit Kriegsmaterial, die vom türkischen Geheimdienst eskortiert wurden, gestoppt und am Transport durch die örtliche Polizei gehindert wurden. Die Handlungen der Geheimdienste werden für gewöhnlich vorab von der Regierungsebene abgesegnet, damit liegt ein weiterer deutlicher Hinweis für die Unterstützung der syrischen Opposition durch die derzeitige türkische Regierung vor. Die jüngsten Ereignisse in Maan zeigen erneut, welche verheerenden Folgen die Unterstützung von islamistischen Jihadisten hat.
Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF)
Zentralrat der Armenier in Deutschland e. V. (ZAD)
Bundesverband der Aramäer in Deutschland
Christlich-Alevitischer Freundeskreis der CDU (CAF)
Kontakt für Fragen und weitere Informationen bei der AABF:
Melek Yıldız
Stellvertretende Generalsekretärin
Tel. 02 21 / 94 98 56 – 0
E-Mail: melek.yildiz@alevi.com
http://alevi.com/de/die-alevitische-gemeinde-deutschland-verurteilt-das-massaker-an-der-alawitischen-minderheit-in-syrien/


Das Ontologische Verbrechen

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Völkermorde sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Bereits in der Antike wurden Genozide verübt, man denke an die Verwüstungen durch das Assyrische Heer, die Zerstörung der Insel Milos während der Peloponnesischen Kriege, Karthagos Eroberung durch die Römer und den ,,Bann“ der Hebräer an den Einwohnern Kanaans. Im Mittelalter weiterhin an die Vernichtung ganzer mesopotamischer Städte durch Tamerlans Schergen, die Zerstörung Zunghar Khanats durch die Qing-Dynastie sowie in bestimmten Fällen an die Ausrottung einiger indigener Völker Nordamerikas. In der Neuzeit an das Schicksal der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika, den Holocaust der Nazis sowie die gegenseitige Abschlachtung der Hutu und Tutsi in Burundi und Ruanda. Der Völkermord an Armeniern im Osmanischen Reich während des ersten Weltkrieges reiht sich also ein in die unrühmliche Liste der Genozide der Menschheitsgeschichte.

Trotz ihrem wiederholten Vorkommen sind Völkermorde geistig schwer zu verstehen. Der Gedanke an den Ablauf und die Vorgänge während eines Völkermords lassen die meisten Menschen innerlich erschaudern. Der Mord an einem ganzen Volk, das Töten unschuldiger Menschen, das Abschlachten aller Männer und Frauen, von Greisen bis hin zu Neugeborenen und das Vergehen an Schwangeren mitsamt ihrer Leibesfrucht hat einen gänzlich anderen Charakter als die uns Menschen sonst so vertraute Gewaltbereitschaft unseres Geschlechts. Es sind Momente grausamsten menschlichen Geistes; da werden Opfer unterschiedslos erniedrigt und verspottet, auf allerlei Art und Weise gefoltert, Ihre Leiber verstümmelt, und anschließend werden sie ermordet. Die Intuition einer Einzigartigkeit des Völkermordes unter Verbrechen, lässt sie sich in Worte fassen?

Am Anfang eines Genozids steht immer die Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche zu zerstören. Herkunft, Nationalität und Religion sind jedoch allesamt zeitstabile, identitätsstiftende Eigenschaften ihrer Besitzer. Menschen verstehen sich nämlich nicht nur als biologische Körper, sondern ausgestattet mit geistigen Eigenschaften. Sie erkennen sich als Konglomerat einer biologischen und geistig-kulturellen Abstammung. Sie haben nicht nur ein Erbe, sie sind jenes Erbe. Durch einen Völkermord werden Menschen deshalb nicht nur mit ihrem personellen Tod konfrontiert, sondern mit der Vernichtung ihrer gesamten Daseinsgeschichte. Nicht weil sie etwas tun, werden sie getötet, sondern weil sie etwas sind. Völkermord handelt also von der Vernichtung aufgrund einer bestimmten Existenz. Ich werde es deshalb das Ontologische Verbrechen nennen.

Doch wie kommt es zu einem kategorialen Vernichtungswillen gegen eine Menschengruppe? Einfache Antworten wie ungelöste ethnische Konflikte alleine sind nach Datenlage nicht hinreichend für einen Völkermord. Viele multiethnische Gesellschaften haben oft Jahrhunderte lang nebeneinander koexistiert. Erklärungen über kategoriale Verbrechen kann uns jedoch die Psychologie der Klassen geben. Menschen teilen nämlich ihre Umwelt, aber auch andere Menschen nach Kategorien ein. Kriterien können Gruppenzugehörigkeit, Kultur, Abstammung, Aussehen, politische Ansichten oder Religion sein. Das ist zunächst nicht weiter tragisch, schließlich dient das Denken in Kategorien dem erfolgreichen und ökonomischen Umgang des Menschen mit seiner Umwelt.

Problematisch jedoch wird es bei der moralischen Besetzung der Kategorien. So weisen Menschen regelmäßig ihren Verbündeten mehr positive Eigenschaften zu als ihren Feinden. Beispielhaft projizierten Amerikaner während des Zweiten Weltkrieges der russischen Bevölkerung positivere Eigenschaften zu als den Deutschen; während des Eisernen Vorhangs war es wiederum umgekehrt. Zudem erfolgt die moralische Bedeutungszuweisung häufig unter Anwendung der gerade herrschenden Ideologien. Im Falle der Genozide sind insbesondere utopische, endzeitliche Ideologien mit Alleinvertretungsansprüchen und Entmenschlichung Anderer als Risikofaktor bekannt geworden.

In einem nächsten Schritt werden Menschengruppen psychologisch als quasi-biologische Wesen erfahren. Menschen erleben sich nämlich nicht nur durch ein Ich-Bewusstsein, sondern identifizieren sich mit ihrer eigenen Gruppe in einem Wir-Bewusstsein. Auch andere Gruppen werden als organische Wesen empfunden. In einem solchen Umfeld der moralischen Kategorisierung und Beisein entmenschlichender Ideologien können nun Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen um Land und Boden, Habseligkeiten oder politische Macht einen Völkermord auslösen.

Läuft eine derartige Kaskade an, ist die Durchführung eines Genozids zusätzlich durch Angst vor Rache getriggert. Die Angst der Täter, dass auch wenige Überlebende sich in Zukunft vermehren und Rache ausüben könnten, bewegt sie zur ausnahmslosen Auslöschung aller Gruppenmitglieder. Angst vor Rache aus dem Kindsbett ist ein durchgängiges Motiv vieler Menschheitsgeschichten. So zeichnen denn Täter häufig Bilder der verfolgten Gruppe als sich vermehrende Ungeziefer. Begriffe wie Ratten, Parasiten, Läuse und Maden tauchen regelmäßig in Aufzeichnungen über Völkermorde auf. Dieses Vokabular der Herrschenden löst zudem Ekelgefühle gegenüber der verfolgten Gruppe aus. Die verfolgte Gruppe wird im Verlauf eines Genozids mehr und mehr entmenschlicht, Widerstände gegen ihre Auslöschung werden Schritt für Schritt überwunden, und eine Endlösung wird vorbereitet.

Im Falle des Völkermords an Armeniern im Osmanischen Reich finden wir alle diese Vorgänge. Wir finden ein  zusammenbrechendes Großreich, in dem die neue Elite der Jungtürken mit einer neuen Gesellschaftsvision die alte ,,kranke“ Gesellschaft von unerwünschten Elementen reinigen wollte; Wir finden einen Kampf um die rechtliche Gleichstellung aller Millets und Widerstand aus der muslimischen Gesellschaft, materielles Habgier über die vielfach in armenischen Händen befindliche Wirtschaft des Reiches sowie Angst vor dem Verlust östlicher Provinzen bei einem möglichen russischen Einmarsch und armenischem Aufstand. Wir finden eine Kategorisierung der Armenier als ,,Feinde im Inneren“ und ihre moralische Entwertung und Entmenschlichung aufgrund einer nationalistisch-religiösen Ideologie. Der Rest ist  ein ontologisches Verbrechen. Ein größeres Verbrechen an der Menschlichkeit kann ich mir nicht vorstellen.

Adem Dolas: Die Kündigung des ,,Dhimma-Vertrages“

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Die Jihadistengruppe Islamischer Staat in Irak und Syrien (ISIS) hat letzte Woche in der Nordsyrischen Provinz Rakka christlichen Einwohnern einen ,,Vertrag“ im Austausch für ihren ,,Schutz“ diktiert. Fortan dürfen Christen ihren Glauben nicht öffentlich leben, es wird Ihnen die im Koran vorgeschriebene Dschizya auferlegt. Weiterhin werden sie im Gegensatz zur muslimischen Bevölkerung entwaffnet und dürfen Feinde des islamischen Regimes nicht unterstützen. Sollten sie den Vertrag nicht eingehen, werden sie als Feinde behandelt. Dieser ,,Vertrag“ hat ein historisches Vorbild und ist im Umgang des Islam mit Andersgläubigen fest verankert.

Hierbei bezeichnet Dhimmitum die besondere Rechtsstellung vor allem der Juden und Christen unter islamischer Herrschaft. Durch den Dschihad während arabischer oder türkischer Eroberungskriege unter die islamische Herrschaft geraten, sind die Angehörigen der ,,Buchreligionen“ und ihre Nachkommen durch ,,Dhimma“ an den islamischen Staat gebunden. Das Wort ,,Dhimma“, wörtlich ,,Vertrag“ leitet sich vom ,,Dhamma“ ,,Tadeln“ ab. Seine Entstehung geht auf den Umgang Mohammeds mit besiegten jüdischen Stämmen auf der arabischen Halbinsel sowie Offenbarungen aus dem Koran und der Hadithen zurück. Seine rechtsverbindliche Formulierung fand der ,,Vertrag“ unter dem Kalifen Umar I. (634-644), oder Umar II. (717-720). In Jemen blieb er bis ins 20. Jahrhundert unverändert bestehen; im Osmanischen Reich wurde er 1856 durch den Druck europäischer Mächte teilweise abgeschafft, die geforderte Gleichheit aller Untertanen jedoch nie umgesetzt. Der Geist des Dhimmitums, die rechtliche sowie gesellschaftliche Erniedrigung der Nicht-Muslime in islamischen Ländern blieb aber bis heute bestehen und kann wie der aktuelle Fall zeigt, immer wieder neu eingeführt werden.

Welche Charakteristika weist nun das ,,Dhimma“ auf? Die Antwort ist vielschichtig: Die durch Dschihad eroberten Völker und ihre Nachkommen sollen zunächst die politische Herrschaft des Islam voll anerkennen. Sie können ihre bisherige Religion zwar weiter ausüben, aber nunmehr unter deutlichen Einschränkungen. Weiterhin werden sie neben der Entrichtung des ,,Dschizya“ zu mannigfaltigen erniedrigenden Vorschriften wie Kleidervorschriften unterworfen. Bei Widerstand droht Tod oder Versklavung.

Vielfach wurde die Institution des ,,Dhimma“ in Vergangenheit in Europa als Zeichen islamischer Toleranz gedeutet, jedoch ist diese Interpretation bei näherer Betrachtung nicht tragbar. Christen und Juden in eroberten Gebieten sollen nicht auf Dauer toleriert, sondern schrittweise in den Islam eingegliedert werden. Der Vertrag wirkte geschichtlich wie ein langfristig wirksames Instrument zur Konversion ursprünglich nicht-muslimischer Mehrheiten. Doch wie ist seine Wirkung zu verstehen?

Das ,,Dhimma“ als Vertragsverhältnis zwischen Nicht-Muslimen und dem Staat macht zunächst die Anerkennung der islamischen Herrschaft öffentlich sichtbar. Die untergebenen Christen und Juden akzeptieren den Sieg muslimischer Eroberer und ihre Bedingungen an. Den Regeln des Dschihads entsprechend droht ihnen bei Ablehnung ohne Weiteres der Tod oder Versklavung.

Demnach sollen Nicht-Muslime solange bekämpft werden, bis sie ,,kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten“ (Sure 9, 29). Die Dschizya darf deshalb nicht als normale (Kopf)Steuer verstanden werden, sie impliziert eine Demütigung für die Ablehnung des wahren Glaubens. Nach einigen Rechtsgelehrten muss die Dschizya während einer öffentlichen demütigenden Zeremonie bezahlt werden, in dem der Dhimmi auf den Kopf oder Nacken als Symbol der Erniedrigung geschlagen wird. Diese Tradition wurde noch bis ins 20. Jahrhundert in Jemen und Marokko praktiziert.

Fortan obliegt die Ausübung der christlichen oder jüdischen Religion strengen Einschränkungen. Neubau und Restaurierung von Kirchen, Klöstern und Synagogen werden generell verboten. Ausgenommen ist lediglich die Instandhaltung sakraler Gebäude aus der Zeit vor muslimischen Eroberungen. Alle Anzeichen öffentlicher Religionsausübung, ob Glockenläuten, Kirchenkreuze, Ikonen oder öffentliche Begräbnisse werden untersagt. Zwangsbekehrungen sind zwar nominell verboten, die Geschichte lehrt jedoch Ausnahmen. Gesetzliche Zwangsislamisierung jüdischer Waisenkinder in Maghreb oder die osmanische Knabenlese auf dem Balkan sollen nur als Beispiele Erwähnung finden.

Christen und Juden werden im weiteren Verlauf aus öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Ihre Ausgrenzung geschieht einerseits aus machtpolitischen Gründen, andererseits greift das islamisch-theologische Verbot, dass ein ,,Nicht-Gläubiger“ keine Autorität über einen Moslem ausüben darf. Weiterhin sind Christen und Juden vom Militärdienst ausgeschlossen. Vielfach wurde dies als Privileg der Nicht-Muslime dargestellt, in Wirklichkeit jedoch sind Ungläubige Ziel militärischer Dienste und können deshalb nicht ihr Träger sein. Das Tragen von Waffen wird, wie in Verlautbarungen des ISIS deutlich wird, nur Moslems erlaubt. Nicht-Muslime sollen entwaffnet und verwundbar bleiben.

In Rechtsstreitigkeiten gilt die Aussage eines Nichtmuslims gegenüber einem Muslim als nichtig. Ungläubige seien im Generellen lügnerisch und deshalb als Zeuge nicht glaubhaft. Des Weiteren wendet das islamische Recht das Prinzip der Wiedervergeltung an. Bei gleich schweren Vergehen wird jedoch das Strafmaß halbiert, wenn das Opfer ein Nicht-Muslim ist. Todesstrafe für einen Moslem ist hierbei ausgeschlossen. Weiterhin wird ein Dhimmi, der es wagt seine Hand gegen einen Muslim zu heben, mit der Amputation der Hand oder mit Tod bestraft. Eine Konsequenz dieser Rechtsauffassung ist die ständige Erpressbarkeit der Dhimmis und ihr Versuch, Richter und Zeugen ständig bestechen zu müssen, um zu überleben. In Europa wurden in der Vergangenheit deshalb orientalische Christen vielfach als korrupt und moralisch verkommen dargestellt. Ihre höchst unsichere Lage nahm man nicht wahr.

Weiterhin obliegen Christen und Juden nunmehr mannigfaltigen, nach Ort, Zeit und Situation flexibel gestalteten Kleidervorschriften. In der Vergangenheit gab es Vorschriften zu Form und Farbe der Bekleidung. Das Verbot für die Maghreber Juden im Mittelalter Schuhe zu tragen, soll als Beispiel besonderer Erniedrigung erwähnt werden. Zudem wird die äußere Erscheinung des Dhimmi fremdbestimmt; so mussten Christen in der Vergangenheit vielfach die Vorderseite ihres Kopfes rasieren. Mancherorts war ihnen das Tragen von Glöckchen vorgeschrieben.

Wie ISIS betont, sollen Christen fortan Muslimen mit Respekt begegnen. Ein Christ darf vor einem Muslim nur in demütigender Haltung erscheinen und nur auf Anforderung und leise sprechen. Bis ins 20. Jahrhundert mussten in vielen Gegenden Nichtmuslime vom Esel absteigen, wenn sie einem Muslim begegneten. Der Dhimmi durfte nur gesenkten Blickes zur Linken eines Muslimen vorbeigehen; Muslimen wurde empfohlen sie beiseite zu stoßen.

Der ,,(Schutz-)Vertrag“ ist somit ein vielschichtiges Instrument individueller und sozialer Erniedrigung der Christen und Juden unter islamischer Herrschaft. Er ist entwürdigend und auf Dauer entmenschlichend. Er ist Zeugnis einer Herrschaftsmentalität gegenüber Anders-Gläubigen. Christen sollten ihn nur bei äußerster Lebensgefahr und nur zeitweise eingehen, bis sie schnellstens auswandern können oder sonstig Widerstand leisten. Ein solches entwürdigendes Instrument anzunehmen bedeutet einen dauernden Zustand der Unsicherheit des Leib und Lebens, Verwundbarkeit, sowie höchster Erniedrigung bei Hilfs-, und Auswegslosigkeit. Ihre psychischen Folgen bei orientalischen Christen sind gravierend.

Wir befinden uns nicht mehr im 7. Jahrhundert. Wir werden ein solches Diktat gegenüber unseren Glaubensgeschwistern nicht akzeptieren. Der Islam wird sein Verhältnis zu Anders-gläubigen neu erfinden müssen.

Yildiz Tilbe singt Ismail Türüt auf kurdisch und armenisch die Leviten

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Yildiz Tilbe ist eine der berühmtesten Sängerinnen der Türkei. Ismail Türüt ist ein ebenso bekannter, allerdings nicht annähernd so beliebter Sänger der Türkei. Türüt ist ein bekennendes Mitglied der türkischen Faschisten ("Ülkücü") und sang Lobgesänge auf den Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und verunglimpfte die trauernden Massen als "Verräter, Armenier, Gesindel".
Ein geistiger Brandstifter und Hasser also, wie es im türkischen Kanon Usus ist. Yildiz Tilbe nahm an einem seiner Fernseh-Shows teil und las dem völlig verdutzten Türüt mit kurdischen und armenischen Liedern die Leviten. Ganz Yildiz Tillbe like! 

"Güzelimden… Yaftaların, prangaların, yalan dolanların bir saniye bile yanında duramadığı Yıldız Tilbe, olanca sahiciliği ve dobralığı ile kalktı İsmail Türüt’e türkülerin dilinden karşılık verdi. Türüt’ün programına katılan Yıldız Tilbe, o delişmen haliyle öyle türküleri harmanlayıp söyledi ki, Türüt’ün kalakalışı ve sonunda çaresiz eşlik etmeye davranması hafızalardan silinmedi. Caney Caney’i Kürtçe söyleyen, orkestra “Lorke Lorke" diye müdahale edecekken, tek el hareketiyle kestirip hop Sarı Gelin'e geçen ve İsmail Türüt’e Kürt-Ermeni-Alevi Bermuda Şeytan üçgeni yaşatan kombinasyonu Gönül Çalmazsan Aşkın Sazını ile noktalayan Tilbe, fena zamanlarımın kurtarıcı meleği oldu. Durabildim sayesinde." 




Yıldız Tilbe ayarı

http://www.agos.com.tr/haber.php?seo=yildiz-tilbe-ayari&haberid=6696


Brief des Zentralrats der Armenier in Deutschland e.V. (ZAD) an die Schweiz v. 04.03.2014

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Urteil des EGMR v. 17.12.2013 Perincek ./. Schweiz  
     
                                                                                                                 Frankfurt a.M, 04.03.2014  

Sehr geehrte Exzellenz,  

wir wenden uns an Sie in der Sache Dogu Perincek gegen die Schweiz wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2013 unter dem Aktenzeichen 27510/08.  

In dem Verfahren vertrat der EGMR erstinstanzlich die Auffassung, dass der Rassismusartikel unter Art. 261bis Absatz 4 des schweizerischen Strafgesetzbuches gegen Artikel 10 der Europ. Menschenrechtskonvention verstieße.  Hintergrund des Urteils ist, dass Herr Dogu Perincek als türkischer Vorsitzender der radikalen „Arbeiterpartei“ der Türkei in der Schweiz den Völkermord an den Armeniern
in der osmanischen Türkei in den Jahren 1915/16 geleugnet und als „internationale Lüge“ bezeichnet hatte. Perincek wurde von einem Schweizer Gericht zu Recht wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt. Hiergegen wendete sich Perincek und legte das Schweizer Urteil dem EGMR vor, woraufhin dieser zwei skandalöse Feststellungen traf:

Zum einen nämlich, dass der Völkermord an den Armeniern nicht belegt sei und zum anderen dass er geleugnet werden dürfe. Die Leugnung des armenischen Völkermordes sei im Gegensatz zur Holocaustleugnung von der Meinungsfreiheit gedeckt.  

Pointiert formuliert: Den einen Völkermord darf man also leugnen, den anderen nicht.
 

Das Gericht bewertet damit einen vergleichbaren Sachverhalt, nämlich den Umstand zweier Völkermorde im 1. und 2. Weltkrieg, völlig unterschiedlich, obwohl hierzu nicht im geringsten Anlass besteht.    
Die Entscheidung des EGMR ist offenkundig falsch.
Bereits im Grundsatz ist es fehlerhaft, wenn der EGMR annimmt, der Völkermord an den Armeniern sei nicht bewiesen. Die Tatsachengrundlage für die Bewertung des Völkermordes ist bereits von Historikern umfänglich aufgearbeitet worden. Diese bieten die Anknüpfungstatsachen für die gezielte Vernichtung der armenischen Volksgruppe durch den türkischen Staat.    


Sofern der EGMR die Faktizität des Genozids an den Armeniern von der politisch geprägten Einschätzung anderer Staaten abhängig machen will, so ist auch dies grundfalsch. Das Vorliegen eines Genozids bemisst sich allein nach der objektiven Völkerrechtslage und nicht nach der politischen Anerkennung. Es ist sehr bemerkenswert, dass der EGMR seine eigene Entscheidungskompotenz in dieser Frage nicht wahrgenommen hat. 


Die völkerrechtliche Bewertung der Geschehnisse ist und wird zudem weiterhin unter Völkerrechtlern, Völkerstrafrechtlern, sowie Genozidforschern unstreitig als erster Genozid des 20.Jahrhunderts bewertet (Anlage).  


Die Schweiz ist in jeglicher Hinsicht ein Vorbild in Fragen der Menschenrechte und der Gewährleistung bürgerlicher Freiheiten. Die Leugnung und Verhöhnung von Opfern und ihrer Nachkommen, die einen Genozid erfahren haben, stellt einen unmittelbaren Angriff auf das Andenken der Opfer und die Ehre ihrer Nachkommen dar. Die Leugnung zielt darauf ab, die Motive und Absichten der Täter zu legitimieren und die Feindbilder und Propaganda gegen die Opfer neu zu begründen, die seinerzeit ihre Vernichtung vorbereitet haben. Die Leugnung zielt darauf ab die betroffene Volksgruppen zu verunglimpfen und zum Hass aufzustacheln. 


Insoweit ist die Schweiz mit ihrem Rassismusgesetz auch ein Vorbild, wenn es darum geht, die Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten zu verteidigen.Gegen das gegenständliche Urteil des EGMR kann noch bis zum 21.03.2014 Berufung eingelegt werden. Bisher hat die Schweiz das Urteil nicht angefochten.

Wir hoffen sehr, dass dies noch erfolgen wird. Wir bitten Sie unser vorliegendes Schreiben den in der Sache befassten nach der verfassungsmäßigen Ordnung der Schweiz zuständigen Organ vorzulegen. 


Mit freundlichen Grüßen 

Dr. Nazareth Agheguian                               Madlen Vartian  
Vorsitzender                                                        Stellv. Vorsitzende


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